Ausgrabung: Süderbusenwurth

Im Westen der Seemarsch Süderdithmarschens liegt, einbezogen in den mittelalterlichen Deichverlauf, die Dorfwurt Süderbusenwurth. Über den östlichen Teil der Dorfwurt verläuft die Bundesstraße 5. Deren ehemaligen Verlauf markiert der landwirtschaftliche Nebenweg zwischen Süder- und Nordenbusenwurth. Auch der südliche Deich einer jüngeren Vordeichung nach Westen ist nicht mehr erhalten und lässt sich nur noch anhand der Flurformen erahnen. Im hohen Mittelalter reichten beide Deiche bis an den Westrand der Wurt heran, wobei der älteste Deich sich nach Süden weiter fortsetzte. Reste dieses Barlteraltendeiches sind noch östlich der Bundesstraße 5 zu erkennen. Südlich der Dorfwurt verläuft der Brustwehrstrom, bei dem es sich um einen kanalisierten älteren Prielverlauf handeln könnte. Ehemals erstreckte sich westlich der Wurt ein breites Vorland, das erst im 16. Jahrhundert eingedeicht wurde. Bis in diese Zeit konnten höher auflaufende Sturmfluten die Wurt erreichen.

Ausgrabungen 1948 und 1998-2002

Südlich des die Wurt Süderbusenwurth in west-östlicher Richtung überquerenden Weges führte Dr. Albert Bantelmann von 1948 kleine Sondage zur Klärung des Schichtenaufbaus durch. Der Schnitt am Westrand der Dorfwurt zeigte, dass an der Basis der Wurt Mistschichten lagen, die Kleiaufträge bedeckten. Aus den Dungschichten stammte Keramik des 1./2. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. Systematische, flächenhafte Ausgrabungen wurden jedoch erst zwischen 1998 und 2002 unter Leitung von Dr. Dirk Meier durchgeführt. Als Grabungstechniker war Jens Detlef Pauksztat tätig. Die Untersuchungen wurden finanziert durch Mittel des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste, des Vereins für Arbeitsstätten e.V. und des Arbeitsamtes Heide. Diese ergaben, dass Südernbusenwurth zur frühen Phase der Marschenbesiedlung in Dithmarschen gehört, die im 1. Jahrhundert n. Chr. einsetzte. Zu den gut dokumentierten Marschensiedlungen gehören der ersten nachchristlichen Jahrhunderte gehören in Dithmarschen Ostermoor, Tiebensee und Haferwisch. Weitere Ausgrabungen waren von Dr. Dirk Meier bereits 1996 in Norderbusenwurth durchgeführt worden.

Archäologische Befunde

Wie die Ausgrabungen von 1998-2002 zeigten, lag der älteste Teil der Siedlung auf einem bis NN +1,8 m hohen, vor Anlage der Siedlung bei höheren Sturmfluten überschwemmten Uferwall nahe eines Priels, der nach Osten hin abfiel. Die Marsch des Umlandes hingegen weist nur eine Höhe NN +0,8 m auf. Durch das Siedelareal des 1. Jahrhunderts n. Chr. zog sich ein später von den Wurtaufträgen überdeckter Priel, der westlich der Wurt vermutlich in einen größeren Priel oder direkt in die Nordsee mündete.

Das Auftreten bestimmter Diatomeenarten (Odontella granulata, Cymatosira belgica, Hyalodiscus scoticus, Actinocyclis normannii u.a.) an der Prielbasis bezeugt einen marinen Einfluss mit Ablagerungen der Brandungszone (oberes Eulitoral). Im Hangenden nimmt der marine Einfluss stetig ab und es stellt sich eine neue Diatomeen-Vergesellschaftung ein, die stellvertretend für das untere Supralitoral (Spritzwasserzone) steht. Das Auftreten von Tryblionella navicularis, Diploneis interupta oder Diploneis elliptica ist typisch für den Andelrasen (Puccinellietum maritimae). Um Chr. Geb. ist dabei mit einem Mittleren Tidehochwasser zwischen NN +0,30 und +0,40 m zu rechnen. Dies ergaben die Diamtomenbestimmungen von Dr. Holger Freund, Terramare in Wilhelmshaven.

Schon etwas höher auflaufende Wasserstände überschwemmten dabei das mit NN +0,80 m nur niedrige Umland der auf dem Uferwall angelegten Marschensiedlung. Dünne sandige Sedimentlagen traten dabei in den ältesten Mistschichten am nördlichen Wurtrand auf. Sturmfluten hatten auch vor der Anlage der Siedlung den bis zu NN +1,80 m hohen Uferwall überschwemmt, wie schmale Anwachsschichten dokumentieren. Dessen Untergrund bestand aus schluffigen Sedimenten über einer bis 1,50 m mächtigen Lage von Muschelschalen, die nahe des Priels stärker zerrieben waren. Reste des alten Marschbodens zeichneten sich nur am nordwestlichen Wurtrand ab, während dieser ansonsten zur Gewinnung von Soden abgeplaggt worden war. Teilweise ließen sich jedoch auf der östlichen, abfallenden Seite des Uferwalls über schluffigen Sedimenten Reste von mit Pflanzenresten und kleinen Wurzeln nachweisen, die eine erste Verlandung belegen.

Vor Anlage der Wohnplätze wurde das in den tieferen Bereichen feuchte Areal mit parallel verlaufenden und später mit Mist verfüllten Gräben entwässert. Danach trug man hier etwa 0,20 m mächtige Lagen aus Kleisoden auf. Ebenfalls den verlandeten Priel deckte man kurz nach der Anlage der ältesten Hofstellen zur Schaffung einer begehbaren Oberfläche auf einer Höhe von NN +1,30 m mit Soden ab.

Auf diesem höheren Marschrücken entstanden die ältesten Hofplätze auf niedrigen Wurten, von denen eine die archäologischen Ausgrabungen nahezu vollständig dokumentierten. Alle drei nacheineinander auf dieser Hofwurt I errichteten Wirtschaftsgebäude gehören zu dem im Nordseeküstenraum weit verbreiteten Typ des dreischiffigen Wohnstallhauses mit Wohnraum und Stall, Flechtwänden und das Dach tragenden, in Pfostengruben eingelassenen Spaltbohlen. Bei den in Süderbusenwurth nachgewiesenen Gebäuden lagen die Stallteile im Osten und die Wohnteile im Westen. Das Wohnniveau des ältesten auf der Hofwurt I errichteten, 5,60 bis 6 m breiten und etwa 20 m langen Wohnstallhauses (Haus 1) erreichte NN +2 m im Wohnteil und fiel nach Osten zum Stallteil geringfügig ab. Die Wurt umgab teilweise, ein später mit Mist verfüllter Graben. Im Inneren des Wohnteils befand sich eine Feuerstelle, deren Scherbenpflaster noch erhalten war. Wie mehrere, dicht beieinander liegende Webgewichte zeigen, hatten die Bewohner nach einem Brand das Haus offenbar fluchtartig verlassen.

Nach dem Abbrand des Hauses 1 wurden die Pfosten abgeschlagen und die Reste der Flechtwände beseitigt. Nur die Reste der Pfosten und die Staken, die fast so tief wie die Pfosten eingelassen waren, ließ man stecken. Darüber packte man Kleisoden auf. Auf der so erhöhten Hofwurt entstand wiederum ein Wohnstallhaus (Haus 2), dessen Fußboden im Wohnbereich auf einer Höhe von NN bis +2,4 m lag. Dieses wies bei einer etwa gleichbleibenden Breite von 5,4 bis maximal 6 m eine Länge von mindestens 20 m auf. Auch dieses Haus brannte ab und wurde planiert. Wiederum vergrößerte man die Wurt nach Osten.

Um dem Mistauftrag eine zusätzliche Stabilität zu verleihen, umgab ein breiter Wall aus gepackten Soden den jüngsten Ausbau der Hofwurt. Diesen begrenzten auf jeder Seite ein gut erhaltener Flechtwandzaun. Auf der so vergrößerten Wurt wurde ein weiteres Wohnstallhaus (Haus 3) errichtet, dessen Fußboden im Wohnteil auf einer Höhe von NN +2,5 m lag. Das Hofareal der Wurt I umgaben Spaltbohlenzäune. Die Errichtung des einen Zaunes erfolgte nach Ausweis der dendrochronologischen Fälldaten frühestens im Winter des Jahres 149/150 n.Chr. Ein äußerer, im Norden angeschnittene Zaun ist anhand dreier Proben nach der Fällzeit nach um 146+5/-0 n. Chr. errichtet worden.

Der Wasserversorgung des Viehs dienten Wassergruben; ferner gab es Brunnen. Südlich des von Zäunen eingefassten Hofplatzes I verlief ein 3 m breiter, mit Flechtmatten ausgelegter Wirtschaftsweg in südwest-nordöstlicher Richtung. Nach der Aufgabe des Hauses 3 auf der Hofwurt I entstand eine größere Wurt, wobei die Zwischenräume zwischen den einzelnen Hofwurten mit Mist, Siedlungsmaterial und Klei aufgefüllt worden.

Diese Aufträge überdeckten am nördlichen Wurtrand um 150 n. Chr. errichtete Zäune, welche die Hofwurt I umgaben. Der teilweise durch jüngere Gruben und Gräben gestörte Laufhorizont dieser jüngeren Siedlungsphase lag im Westen der Wurt auf einem Höhenniveau von NN +3 m und fiel nach Osten auf NN +2 m, am nördlichen Rand der Wurt auf NN +1,4 m ab. Eindeutige Baubefunde ließen sich dieser Siedlungsphase nicht zuweisen. Zu den eindruckvollsten Befunden gehört ein schachtförmiger, mit Spaltbohlen ausgekleideter Brunnen am nordwestlichen Wurtrand. Nach einer groben Einordnung der Keramik endet diese Siedlungsphase und damit die Besiedlung der Wurt um 300 n.Chr.

 

Wirtschaft und archäologische Funde 

Die wirtschaftliche Grundlage der Siedler bildete die in den Seemarschen gewinnbringende Viehhaltung. Die Untersuchungen zeigten, dass mit 67,3% die Rinderhaltung bei weitem überwog. Neben Rindern wurden auch Schafe/Ziegen (12,3%), Schweine (9,4%), Pferde (9,7%) und Hunde (1,3%) als Nutztiere gehalten. Ferner fanden sich Knochen von Wildschweinen, Rothirschen, Seehunden, Kleinem und Großem Tümmler, Wal, Stören, Graugänsen, Graureiher und Stockenten. Diese zeigen, dass neben der überwiegenden Nutztierhaltung auch Jagd und Fischfang betrieben wurden. Seehund, verschiedene Walarten und Stör belegen Ausfahrten mit Booten auf die Nordsee. Die Jagd nach Zugvögeln ergänzte das Nahrungsangebot. Wildschweinen und Rothirschen wurde hingegen auf der Geest nachgestellt. Ackerbau konnte hingegen nur während der Sommermonate auf den höheren Partien des Uferwalles betrieben werden; vermutlich befanden sich kleine Felder auf der höheren, jüngeren Wurt, da nicht alle Bereiche bebaut waren. Leider sind die paläobotanischen Proben, die an das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel gingen, bis heute nicht ausgewertet.

Neben Tierknochen bildet die Keramik den größten Teil des archäologischen Fundgutes. Die Masse der im Hauswerk gefertigten Tonware gehört der Zeit kurz nach Chr. Geb. bis 300 n. Chr. an. Nachgewiesen sind vor allem weit- und kleinmündige Töpfe einer groben Gebrauchsware, die eine Datierung in das 1./2. bis 3. Jahrhundert zulassen. Die Feinware der Siedlung weist zahlreiche Verzierungen auf. Zu den schönsten Funden gehört ein vollständig erhaltener sog. Eddelaker Topf aus der Zeit um 200 n. Chr. Reste von verbrannten Bruchstücken eines Ofens deuten an, dass die Keramik auf der Wurt selbst gefertigt wurde, römischer Import wurde nicht nachgewiesen.

Bruchstücke von Mahlsteinen und ein gut erhaltenes Exemplar zeigen, dass Getreide auf der Wurt zu Brot verarbeitet wurde. Spinnwirtel und Webgewichte belegen die Verarbeitung von Wolle; Schlackenreste deuten auf Eisenverarbeitung hin. Ferner ist ein kleines Holzrad erwähnenswert.

Horn und Knochen fanden gleichfalls bei der Geräteherstellung Verwendung. Zur Haarpflege dienten Kämme. Der frühe Besiedlungsabbruch der Wurt um 300 n. Chr. begründete sich wohl aus der zu häufigen Salzwasserüberschwemmung der nur niedrigen Seemarschen des Umlandes.

 

Literatur:

Dirk Meier, Süderbusenwurth. Vorbericht der Ausgrabung einer Marschensiedlung der Römischen Kaiserzeit in Dithmarschen. Studien zur Sachsenforschung 15, 2005, 343-363.